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140 Stipendiatinnen und Stipendiaten untersuchen bei der einwöchigen Sommerakademie der Werke in Schwerte, welche weltanschaulichen und religiösen Werte eine diverse und pluralistische Gesellschaft tragen und stark machen.

 »Wert der Demokratie bedeutet, dass Menschen mit unterschiedlichen Glaubens- und Politüberzeugungen miteinander in den Dialog treten, sich mit Toleranz begegnen. Demokratie ist ein wertvolles Gut. Bringen Sie sich ein und machen Sie die Welt zu einem besseren Ort«, ermunterte Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die 140 Teilnehmenden der Sommerakademie der Werke.
Dr. Birgit Sendler-Koschel, Leiterin der Abteilung Bildung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), erinnerte daran, wie wichtig es ist, in der Vielfalt der Positionen miteinander zu debattieren und zu ringen, um zu einer lebendigen Zivilgesellschaft beizutragen.
Im Anschluss öffnete Prof. Dr. Rainer Forst mit seinem Vortrag über das Spannungsfeld von Demokratie und Toleranz den Diskurs zum Wert der Demokratie, der die nächsten sieben Tage nicht mehr verstummen sollte. Für den Direktor des Forschungszentrums »Normative Ordnungen« an der Goethe Universität Frankfurt bedeutet Toleranz nicht, dass man allem und jedem zustimmt und alles aushält. Toleranz bedeutet, dass man sich mit den Dingen auseinandersetzt, indem man seine Ablehnung, seine Akzeptanz und seine Zurückweisung von Ideen oder Anschauungen immer wieder reflektiert.
Verantwortlich für die Planung und Durchführung der diesjährigen Sommerakademie der Werke waren mit dem Evangelischen Studienwerk und dem Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk zwei religiös-konfessionell gebundene Begabtenförderungswerke. Alle 14 teilnehmenden Werke waren im Vorfeld aufgefordert, sich mit eigenen Seminarinhalten an der Sommerakademie zu beteiligen. Von »Demokratie in der Kirche« über »Demokratien in Europa« bis zu
»Solidarisch aus der Krise« konnte so ein umfangreiches Seminarprogramm angeboten werden, das viele unterschiedliche Aspekte von Demokratie-Entwicklung in den Fokus nahm und die verschiedenen religiösen, gesellschaftlichen und politischen Ausrichtungen der beteiligten Begabtenförderungswerke berücksichtigte.
In den gemeinsamen Seminaren und Workshops arbeiteten die Teilnehmenden in der letzten Woche an der Frage, welche weltanschaulichen und religiösen Werte eine diverse und pluralistische Gesellschaft tragen und stark machen. Dabei wurden sie von einer Reihe hochrangiger Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Wissenschaft und Politik unterstützt, die in unterschiedlichen Gesprächskreisen als Impulsgebende fungierten und den kontinuierlichen Austausch der Teilnehmenden durch neue Aspekte und andere Blickwinkel bereicherten. So griffen die Expert*innen, Prof. Dr. Frederek Musall, Professor für jüdische Studien an der Universität Würzburg, der Kultur- und Religionswissenschaftlerin Hannan Salamat und Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, Soziologe und Inhaber des Lehrstuhls für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück, das Thema »Vielfaltsgesellschaft und Wertepluralismus« auf und beleuchtete Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer vielfältigen Migrationsgesellschaft in Deutschland.
Unter dem Oberthema »Sicherheit und Freiheit« diskutierten die Teilnehmenden mit Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange, Präsident der Deutschen Hochschule der Polizei, Dr. Aline Bartenstein, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Dr. Veronika Bock, Leiterin des Zentrums für ethische Bildung in den Streitkräften, über antidemokratische Tendenzen innerhalb der Polizei und der Bundeswehr. Die Redner*innen verurteilten ein derartiges Verhalten. Als wichtigen Teil einer Lösung des Problems sahen sie übereinstimmend, dass dies zukünftig nur durch permanente Bildung der betreffenden Personengruppen zu verändern sei.
In einer weiteren Diskussionsrunde ging es vor allem um die Datensicherheit. Hier setzten sich die Expert*innen Thomas Menke, Referatsleiter Cybersicherheit im Innenministerium NRW, Jochim Selzer, Referent des Chaos Computer Clubs,
Jona Ridderskamp, Geschäftsführer eines Unternehmens für IT-Sicherheit sowie Moderatorin Kirsten Bock, Juristin und Referentin für Datenschutz der Stiftung Datenschutz, vor allem mit Fragen über die demokratische Rechtmäßigkeit von Datenvorratsspeicherung und der Gewichtung zwischen Datensicherheit und Datenfreiheit auseinander.
Ein weiterer Themenabend war dem Thema »Vielfalt« gewidmet. Hamze Bytyci, Schauspieler und Regisseur, Anne Gerstorff, Sozialarbeiterin und Integrationsberaterin, Kerstin Söderblom, Theologin und Supervisorin, Dan Thy Nguyen, Regisseur und Schauspieler sowie Denis Gay, Pädagoge und Vorstandsvorsitzender des Start-Alumni e.V., diskutierten mit den Stipendiat*innen über das Fehlen oder die Möglichkeit der Einbindung von Minderheiten in eine demokratische Gesellschaft. Dabei legten die Expert*innen den Fokus auf Menschen mit Behinderungen, queere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund.
Zum Thema Solidarität und Gerechtigkeit bot die Sommerakademie den Teilnehmenden ein vielschichtiges Exkursionsprogramm an. So besuchten die Stipendiat*innen unterschiedliche Projekte und Initiativen im Umkreis von Dortmund und Schwerte, wie das Projekt zur Rechtsextremismusprävention »Projekt Quartiersdemokraten«, sowie das Leuchtturmprojekt »Nordstadtliga« der BVB-Stiftung »leuchte auf« und informierten sich über deren Arbeit vor Ort.
Dass der Wert der Demokratie für die beiden ausrichtenden Werke auch religiöse Bezüge hat, zeigte sich ebenfalls im Rahmenprogramm. Die religiösen Feiern der drei beteiligten Religionen wurden wahrgenommen und luden zum Dialog ein. So konnten die Teilnehmenden das muslimische Freitagsgebet ebenso miterleben und erklärt bekommen, wie auch die Feier zu Beginn des jüdischen Schabbats und den ökumenischen Gottesdienst am Sonntag. Jeder Morgen startete mit Begleitung von Dialogperspektiven e.V. mit einem interreligiösen Impuls zum Ausprobieren, Diskutieren und Kennenlernen.
Am großen Abschlussabend am letzten Wochenende präsentierten alle
Seminargruppen ihre Ergebnisse aus einer Woche Arbeit und Diskurs zu den unterschiedlichen Aspekten der Demokratie. Verbindendes Element aller Seminare war die Feststellung, dass Demokratie nicht einfach geschieht, sondern dass Menschen Verantwortung für ihre Demokratie übernehmen müssen und dass lebendige Demokratie in der Verbindung aus politischer, wirtschaftlicher und sozialer Demokratie entsteht, die alle Menschen teilhaben lässt. Ebenso wichtig war die Erkenntnis, dass Demokratie und Religion sich gegenseitig brauchen. Denn Demokratie ermöglicht die Vielfalt der Religionen und Religionen tragen zu einer konsensorientierten Diskussionskultur innerhalb von Demokratien bei.


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